13. März 2014 - Bericht "Gesichtsschmerz" im Rahmen der 3-Länder-Tagung
Gesichtsschmerz
Thomas Dresler
Bericht von der 4. Dreiländertagung Kopfschmerzsymposium in Bad Hofgastein (27.02.-01.03.2014)
Die Europäische Schmerzföderation (EFIC) hat den Zeitraum von Oktober 2013 bis Oktober 2014 zum „Europäischen Jahr gegen oro-faziale Schmerzen“ ernannt und somit den Gesichtsschmerz in den Fokus gerückt. Dem trug auch die diesjährige Dreiländertagung mit dem Vortrag „The Year against Pain: Der Oro-faziale Schmerz“ von Prof. Christian Lampl, Linz, Rechnung. Der Gesichtschmerz hat eine besondere Bedeutung, da er noch mehr als der Kopfschmerz aus diagnostischer, aber auch therapeutischer Sicht eine Schnittstelle verschiedener fachärztlicher Disziplinen darstellt. Insbesondere zwischen den Disziplinen Neurologie, Hals-Nasen-OhrenHeilkunde und Zahnheilkunde gibt es vielfältige Überlappungen, die im Alltag zu berücksichtigen sind.
Professor Lampl verwies gleich zu Beginn auf die differentialdiagnostische Komplexität der Ursachen von Gesichtsschmerzen. So lassen sie sich nach der American Academy of Orofacial Pain (AAOP) Gesichtsschmerzen durch lokale, vaskuläre und neurologische Erkrankungen, Übertragungsschmerz, aber auch psychogene Zustände erklären, wobei die International Headache Society (IHS) als einzige Gesellschaft operationalisierte Diagnosekriterien formuliert hat, die in der aktuellen ICHD-3 eine nochmalige Überarbeitung und Verfeinerung erfahren haben. Gleichwohl besteht auch in diesen überarbeiteten Kriterien noch Optimierungsbedarf, wie zum Beispiel bei der temporomandibulären Dysfunktionen/Myarthropathien. Globale Angaben zur Epidemiologie sind vor diesem Hintergrund schwierig, da sie immer auf die einzelnen Schmerzarten bezogen werden müssen, so dass Angaben zur Prävalenz deutlich variieren.
Die teils schwierige Differentialdiagnostik spiegelt sich für Patienten oft darin wieder, dass sie viele Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen, bevor die korrekte Diagnose gestellt wird. Dies führt einerseits zu einem längeren Leidensdruck auf dem Weg zur geeigneten Therapie, andererseits birgt dies Risiken, denen der Patient nicht notwendigerweise ausgesetzt sein müsste. Dazu zählen unnötige diagnostische, aber vor allem auch fehlerhaft indizierte therapeutische Schritte, wie die Zahnextraktion beim anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz. Hier zeigt sich zudem die Problematik der mangelnden interprofessionellen Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen. So scheint noch oft zu gelten – und dies wurde auch in der nachfolgenden Diskussion deutlich – dass alle Schmerzsyndrome unterhalb der Orbitomeatallinie in den Kompetenzbereich des Zahnarztes und oberhalb davon eher in den Bereich des Neurologen fallen. Schon mit wenigen gezielten anamnestischen Fragen könnten hier oft schon früh Fehlentwicklungen, die letztlich zur Schmerzchronifizierung führen, vermieden werden, was jedoch eine verstärkte Zusammenarbeit mit interdisziplinären Behandlungspfaden erfordert. Dies gehört somit sicherlich zu den kommenden Herausforderungen auf dem Gebiet der Gesichtsschmerzen für die beteiligten Fachgesellschaften.
In dem Vortrag wurden nachfolgend noch einige interessante praktisch relevante Fallbeispiele vorgestellt, unter anderen das Nasopharyngeal-Karzinom (Trotter’s Syndrome), das Syndrom der brennenden Zunge (Burning Mouth Syndrome) und Schmerzsyndrome im Bereich des Temporo-Mandibular-Gelenks. Von Relevanz ist auch die Suche nach myofazial bedingten Gesichtsschmerzen als Unterformen des Übertragungsschmerzes, bei dem die ursächliche Schmerzquelle und resultierende Schmerzlokalisation nicht übereinstimmen. Dies kann nicht nur bei den Kaumuskeln eine relevante Differentialdiagnose darstellen, sondern auch beim M. sternocleidomastoideus mit Ausstrahlung nach retroorbital und des oberen M. trapezius in die Region des Kiefergelenkes, was hier oft zu falschen Initialdiagnosen führt.
Professor Lampl stellte vor diesem Hintergrund Empfehlungen für den klinischen Alltag vor. Wichtigste Grundlage bleibt wie auch bei Kopfschmerzen eine stringent erhobene, ausführliche Anamnese mit Fragen nach Beginn, Schmerzqualität, Dauer, Verschlechterung, etc. Die Frage nach Komorbiditäten ist insofern wichtig, da dies hinweisend auf bestimmte organische (z.B. tatsächlich vorhandene dentale Ursache) und psychische Ursachen (z.B. affektive Störungen, Somatisierungsstörung) sein kann. Aber es sollte auch der altbekannte Grundsatz des „Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten“ berücksichtigt werden. Bei diagnostischen Unklarheiten empfiehlt sich ebenso wie in der Therapieplanung bei komplexen Fällen die Diskussion in einer interdisziplinär ausgerichteten Schmerzkonferenz mit Kollegen aus den angrenzenden Spezialgebieten einschließlich einer Schmerz-psychotherapeutischen Expertise.
In einem anschließenden Workshop wurden von Dr. med, Dr. med dent. N. Lucik die verschiedenen zum Teil auch enoral zu palpierenden Muskeln und die davon ausgehenden Schmerzsyndrome vorgestellt. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass es bei der Diagnose und Therapie der Gesichtsschmerzen eine noch intensivere und zielgerichtete Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen geben muss, um die vorhandenen Probleme (z.B. unnötige Mehrfachuntersuchungen und nicht indizierte Eingriffe) zu reduzieren. Das von der EFIC ausgerufene Jahr sollte dazu beitragen, das Bewusstsein der beteiligten Fachgesellschaften zu schärfen und die weitere Zusammenarbeit zu vertiefen.
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